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Lambrecht, Wiege der Gewerkschaftsbewegung

Der Lambrechter Dipl. Soziologe Dr. Werner Dietrich skizziert die Anfänge gewerkschaftlicher Organisation der Textilarbeiter im Lambrechter Tal

Lambrecht

Der Gewölbekeller im Lambrechter Zunfthaus platzte aus allen Nähten, die Stühle reichten nicht für alle Interessenten, aber niemand ging nach Hause, sondern man nahm auf den Steinstufen des Kellers Platz und folgte interessiert dem Vortrag von Dr. Dietrich. Die Zuhörer waren leider überwiegend und deutlich Ü40, so dass der Wunsch des Referenten „aus der Geschichte lernen“ nur bedingt zu erfüllen war.

Zu Beginn beschrieb Dr. Dietrich die Voraussetzungen für die Geschehnisse in seinem Vortrag. 1580 gab es erstmalig Gehaltsregelungen für Tuchmacher. In dieser Zeit arbeiteten – und meistens wohnten auch – Meister und Gesellen zusammen. Der Einzug der Maschinen und das Hambacher Fest (1832) mit seinen Auswirkungen auf die Pressefreiheit änderten dies. Die Maschinen produzierten schneller und kostengünstiger. Es kamen jetzt auch Nicht-Wallonen ins Tal und brachten neue Ideen mit – und die Presse sorgte für die Verbreitung. So kam es 1859 zum ersten Arbeitskampf. Dieser ging zwar verloren, aber das Gericht erkannte das Anliegen als richtig an, nur der Weg zur Durchsetzung war verkehrt. Streik war zu dieser Zeit als legales Mittel noch nicht anerkannt.

In den Folgejahren bildeten sich Konsum- und Arbeiterbildungsvereine als Vorläufer der Gewerkschaften.

1872 kam es zum zweiten Lambrechter Streik mit dem Ziel der Lohnerhöhung. Zu dieser Zeit arbeitete man 13-15 Stunden am Tag. Die Fabrikanten wurden von der Presse unterstützt bei der Argumentation „die anderen (z.B. Zulieferer) sind schuld“, dass die Einnahmen nicht für eine Lohnerhöhung reichen. Der Streik dauerte sieben Wochen, in denen es natürlich kein Geld gab. Die Fabrikanten verlagerten die Produktion nach Lothringen, so dass der Streik erfolglos blieb.

Den dritten Streik (1890) bereiteten die Arbeiter besser vor. Sie kauften vor Streikbeginn genügend Waren auf Vorrat und wollten jetzt neben mehr Lohn hauptsächlich eine Arbeitszeitverkürzung erreichen. Es wurde auch nur eine Fabrik bestreikt und als Reaktion kündigten die Fabrikanten allen Arbeitern in allen Firmen – heute kommt dafür das Mittel der Aussperrung zum Einsatz. Die bundesweite Solidarität war groß, Streikgelder aus dem ganzen Land kamen nach Lambrecht, aber auch auswärtige Streikbrecher. Nach neun Wochen hatte man sich auf 11 Stunden tägliche Arbeitszeit und eine geringe Lohnerhöhung geeinigt. Später wurden daraus sogar 10,5 Stunden.

1906 wurde der letzte nennenswerte Arbeitskampf der Textilarbeiter ausgefochten. Er dauerte mehr als 14 Wochen und brachte wenig zählbares. Zuerst einigte man sich auf fünf Prozent mehr Lohn und eine Arbeitszeit von 10 Stunden, aber nur dann wenn diese auch in den norddeutschen Städten eingeführt wird. Dann „zierten“ sich die Arbeitgeber und zahlten die erhöhten Löhne nicht vereinbarungsgemäß, so dass alle Weber kündigten und ab 20. Juli gestreikt wurde. Die Presse hielt eine Lohnerhöhung für 10 Prozent für legitim, dabei stiegen die Lebensmittelpreise zu dieser Zeit um 30-40 Prozent. Der Streik wurde ohne Verbesserung der Konditionen beendet.

1911 wurde an der Niederlausitz der 10-Stunden-Tag eingeführt und damit automatisch auch in Lambrecht.

 

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