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Wie ein Chor es schaffte, 150 Jahre alt zu werden

Cäcilienverein Weidenthal feierte Jubiläum

Weidenthal

Der älteste Mensch, dessen Lebensdaten wissenschaftlich anerkannt sind, war eine Französin mit 122 Jahren. Institutionen wie Vereine oder Chöre haben es in dieser Disziplin etwas einfacher, da ihrem Alter keine grundlegenden biologischen Alterungsprozesse entgegenstehen. Dennoch sind auch sie stets herausgefordert, sich immer wieder an geänderte Zeitläufte anzupassen, und sich immer wieder neu zu erfinden, sonst droht unweigerlich der Untergang.

Davon berichtete umfassend der 1. Vorsitzende des Weidenthaler Cäcilienvereines (CV) Erwin Heidt im Rahmen der Jubiläumsfeier am Freitagabend, den 22.11.2019. Gegründet 1869, hat er es auf stolze 150 Jahre geschafft. Das Sälchen des Weidenthaler Maximilian-Kolbe-Hauses war aus diesem Anlass bis auf den letzten Platz gefüllt. Vertreten waren neben den örtlichen Vereinsvorsitzenden die beiden Bürgermeister der Verbandsgemeinde, Manfred Kirr, und der Ortsgemeinde, Ralf Kretner. Beide sind selbst seit langem Mitglieder des CV, wenn auch passiv. Als weitere Ehrengäste begrüßte Heidt Weidenthals 1. Beigeordnete Marietta Schulz, den protestantischen Pfarrer Frank Wiehler, den CV-Präses Pfarrer Franz Neumer, und Kaplan Bernard Addagatla.

Nach der musikalischen Eröffnung mit Pfälzer Sängergruß und Hymne durch den Chor schlug Heidt den Bogen über die Geschichte des Chores, bis hin zur Gegenwart, die geprägt ist vom immer drängenderen demografischen Problem. Dieses betrifft inzwischen die meisten Chöre, was Heidt auch unverblümt immer wieder ansprach.

Die Anfänge liegen im Jahre 1868, als in Bamberg auf dem Deutschen Katholikentag mit der Gründung des Allgemeinen Deutschen Cäcilienvereines die Stärkung des Kirchengesanges unter dem Patronat der heiligen Cäcilia angeregt wurde.

1869 erfolgte die offizielle Gründung durch Pfarrer Schecher. In diesen Zeiten herrschte noch ein straffes Regiment. Wer die Singstunde, die damals zweimal pro Woche stattfand, schwänzte, oder Beiträge nicht pünktlich entrichtet, wurde umgehend „gemaßregelt“. Im Gegenzug erhielt „der treue Vereinsdiener und Kassierer“ für seine Leistung einmal im Jahr seine Schuhe neu besohlt. Mitglied konnten nur „ unbescholtene, charakterfeste, anständige und tüchtige“ Männer werden, die „keinen Unfug“ trieben. Bei Zweifeln gab es erst einmal nur eine Probemitgliedschaft. Für die damalige Zeit aber bemerkenswert liberal war, dass sogar „Andersgläubige“ Mitglied werden können.

Gleich zu Beginn musste der Krieg 1870/71 überstanden werden. Weidenthal war damals ein armes Dorf mit ebenso armen Bewohnern, die nichtsdestotrotz damals schon gerne viele Feste feierten – eine Angewohnheit, die sich der Ort immer noch bewahrt hat.

Während des 1. Weltkrieges musste der Singstundenbetrieb ruhen und wurde erst 1921 wieder aufgenommen. Bereits 1929 war der Chor schon einmal überaltert, wurde aber durch den Übertritt eines „stolzen Jungmännerchores“ aufgefrischt.

Die Zeit des Nationalsozialismus war erneut nicht einfach, man musste mit der ungebetenen Einflussnahme der braunen Machthaber zurechtkommen. Sogar die Vereinskasse musste der katholischen Kirche übergeben werden, um sie vor Beschlagnahme zu schützen. Scherzhaft wandte sich Heidt hierzu an Pfarrer Neumer mit den Worten: „Ihr habt doch hoffentlich gut auf sie aufgepasst. Ich komme demnächst vorbei und hole sie wieder ab“.

Das Ende der 1960er Jahre brachte als neue Herausforderung ein verändertes Freizeitverhalten. Die Nation versammelte sich abends immer mehr vor dem Fernseher als im Dorf und seinen Vereinen. Der Chor durchlief damals für einige Jahre bereits eine kritische Phase, durchaus eine Parallele zur heutigen Zeit. Die Rettung kam dann 1975 in Gestalt des neuen 1. Vorsitzenden Siegfried Held, der dank seiner charismatischen und vor Ideen sprühenden Persönlichkeit den Chor zu einer neuen Blüte führte. Sie sollte die folgenden Jahrzehnte bis zum Ende seiner Amtszeit 2000 unvermindert anhalten. Zahlreiche Aktivitäten wie Prunksitzungen, Fahrten oder das von Otto Baqué meisterhaft durchgeführte Schlachtfest machten den Verein attraktiv.

Mit Toni Roth fand Held auch einen Dirigenten, der zu dem Aufschwung entscheidend beitrug. Der CV umfasste damals 200 Mitglieder und bis zu 50 Sänger. Er genoss in kirchenmusikalischen Kreisen der Pfalz höchstes Ansehen. In einem nachdenklichen Moment äußerte Held aber schon 1990, der Chor habe inzwischen die „Grenzen seiner Leistungsfähigkeit“ erreicht.

In dieser Zeit entwickelte sich auch die Partnerschaft zum lombardischen Elitechor Coro La Rocca aus dem italienischen Appiano Gentile beim Comer See, initiiert durch die Arbeitskollegen Hubert Meyer und Claudio Guzzetti, die aus den beiden Orten stammten. Das erste gemeinsame Konzert fand 1982 statt. Die Partnerschaft wurde durch persönliche und familiäre Freundschaften gefestigt, und hält über die Sprachbarriere bis heute an. Der Coro La Rocca reist zum Jubiläum an und gestaltet das Festkonzert am darauffolgenden Samstag mit.

Held fand mit Bettina Oster eine begabte Besetzung für das vakante Dirigat – in der seltenen, aber reizvollen Kombination einer jungen Frau, die einen reinen Männerchor mit viel Schwung und Energie leitete.

Nach 2000 übernahm Karl Heinz Roos den 1. Vorsitz, der ergänzend den Chor auch mal dirigierte, wenn die eigentliche Leiterin verhindert oder bereits nachhause gefahren war. Zwei Jahre später wollte Bettina Oster den Taktstock niederlegen. Erwin Heidt und seiner Frau Martina gelang es aber, sie durch eine Einladung zum Mittagessen für weitere acht Jahre dem Chor zu erhalten. Strittig ist bis heute, ob es seine Überredungskunst oder ihre Kochkunst war, die zum Erfolg führte.

Für Bettina Oster machte sogar der traditionsreiche Geinsheimer Chorsängerverein 1791, der älteste Deutschlands, eine bemerkenswerte Ausnahme: Beim Dreikönigsimbs der Männerchöre, zu dem der CV 2011 eingeladen war, durfte mit Bettina Oster erst- und einmalig eine Frau an der ansonsten geschlossenen Männergesellschaft teilnehmen, um letztmalig ihren Chor zu dirigieren.

Danach musste sich der Verein allerdings auf die Suche nach einem neuen Chorleiter machen, was nicht ganz einfach war. Inzwischen hatte Erwin Heidt den 1. Vorsitz übernommen, an ihm lag es nun, Ersatz zu finden. Ein ganzes Jahr dauerte die Suche. Die Rettung war Peter Michael Degen, Leiter des Bischöflichen kirchenmusikalischen Instituts Speyer, der auf den Kaiserslauterer Musikpädagogen Lothar Bendel aufmerksam machte. Mit ihm ist der Chor seither nicht nur musikalisch, sondern auch freundschaftlich und persönlich verbunden.

Heidt entwickelte seither eine Reihe neuer Initiativen, etwa die offene Singstunde vor dem Feuerwehrhaus. Seit langer Zeit gönnt sich der Verein auch einen jährlichen Ausflug zum Mussbacher Winzer. Der entscheidende Durchbruch, die Auffrischung des Chors mit neuen Sängern, harrt aber noch der Dinge.
Franz Neumer, Pfarrer für Weidenthal und somit auch Präses des CV, begann den Reigen der Grußbeiträge mit einem Text, der in der Höhle Qumrans gefunden wurde. Er beschreibt im Gedenken an die heilige Cäcilia „Ich will singen ein geistiges Loblied“ und fordert auf „Singt unserem Gott, ja singt ihm“. In diesem Sinne folgt der CV bis heute dem antiken Text. Neumer gab den Sängern mit auf den Weg: „Singen ist ein doppeltes Gebet“.

Der Verbandsbürgermeister Manfred Kirr stellte in seiner Gratulationsrede für die Verbandsgemeinde Lambrecht fest, dass der CV im Ort nach dem Gesangverein der zweitälteste Verein ist. Gegenüber dem Bistum Speyer, das mit dem CV nur einen Männerchor aufweist, sei seine Verbandsgemeinde besser aufgestellt, dort gäbe es inklusive CV, nämlich vier davon. Allerdings haben sich in letzter Zeit zwei Chöre mangels Sängern aufgelöst. Die CV-Legende Siegfried Held bezeichnete er als „Menschenfischer“, von dem der CV heute einen bräuchte.

Ortsbürgermeister Kretner überbrachte die Glückwünsche der Gemeinde Weidenthal und erinnerte ebenfalls an Held, der ihn in den Verein lotste. Vor „lauter Angst, mitsingen zu müssen“, habe er damals drei Instrumente gelernt. Er dankte all den Ehefrauen, deren Verständnis und Geduld für das Hobby ihrer Männer die 150-jährige Erfolgsgeschichte des CV überhaupt erst ermöglicht haben.

Gerhardt Meyer vom Kuratorium der Weidenthaler Vereine lobte die Rolle des CV als Kulturträger auch außerhalb der katholischen Kirche. Sehr hilfreich war es bei der Wiederbelebung der Fastnachtssitzung, auf die Erfahrungen des CV zurückgreifen zu können.

Weiterhin gratulierten:

• Sonja Clemens für den Gesangverein 1858 Weidenthal
• Pfarrer FRank Wiehler für die protestantische Kirchengemeinde
• Volker Kaul für die CDU
• Heinz Ohliger für den Turnverein1908 Weidenthal
• Frank Dewor für den Schützenverein 1966 Weidenthal
• Hildegard Schöneberger für den VDK Ortsverband Weidenthal
• Herbert Laubscher für den Glencairn Whisky-Club Weidenthal
• noch einmal Ralf Kretner, dieses Mal für den Obst- und Gartenbauverein Weidenthal
• Christel Roos für den Katholischen Deutschen Frauenbund
• Andreas Binz für den FC Wacker Weidenthal e.V.
• Mechthild Held
• Maria Lattrell

Eine besondere Ehrung in Form einer bischöflichen Urkunde von Diözesanpräses Dominik Geiger wurde Herrmann Astor zuteil, der 40 Jahre lang dem Verein als Vorstandsmitglied und Organisator des Barbetriebs bei den Fastnachtssitzungen diente, und bis heute aktiv mitsingt.

150 Jahre hat der Cäcilienverein geschafft, und sich immer wieder selbst neu erschaffen. Ob es ein 175-jähriges Jubiläum geben wird? Erneut steht der CV vor der großen Herausforderung, sich zukunftsfähig aufzustellen, und attraktiv für Sängernachwuchs zu sein. Es wäre dem Chor und Weidenthal zu wünschen, dass dies gelingt.

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