L a m b r e c h t  ( P f a l z )  25.03.2006  

Lambrecht (Pfalz)

Indienststellung Zunfthaus

Weil das alte Zunft- und neue Rathaus nicht größer ist wie sein wallonischer Bauherr Heinrich Klignet vor 400 Jahren dazu das Schnurgerüst hatte erstellen lassen, musste der Abschluss seiner umfassenden Restauration zwangsläufig zweigeteilt gefeiert werden.

Sowohl drinnen als auch draußen waren mehr Teilnehmer erschienen als erwartet. Beim Festakt im für die geladenen Gäste bestuhlten Ratssaal folgten deshalb viele Zuhörer im Stehen den Ansprachen.

Der des Stadtbürgermeisters Michael Stöhr, des städtischen Beigeordneten und engagierten Baudezernenten Karl Liebrich, des zuständigen Denkmalpflegers Dr. Georg Peter Karn, des bauleitenden Architekten Heinrich Jost und des Denkmalschutzvereinsvorsitzenden Karl Heinz Himmler und den Grußworten von Verbandsbürgermeister Herbert Bertram, des Kreisbeigeordneten Erhard Freunscht, des Deidesheimer Stadtbürgermeisters Manfred Dörr, des Sparkassendirektors Hartmut Steudle, des Stadtwerkedirektors Bruno Limbeck und der ehemaligen Webschülerin Jutta Zimmer.

Alle, die grüßten, hatten ein Gastgeschenk dabei und allen Anwesenden gemeinsam war die Freude an diesem gelungenen Werk und die Hoffnung, dass (wie Stöhr es bei seiner Begrüßung formuliert hatte) uns das prächtige Haus lange erhalten bleibt und von hier aus "immer gute Entscheidungen für unsere Stadt getroffen werden".

Ansprache Stadtbürgermeister Michael Stöhr

 

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Auf die eine oder andere dieser bemerkenswerten Ansprachen näher einzugehen, wird sich in einer unserer nächsten Ausgaben noch Gelegenheit bieten.

Das Spiel und seine Hintergründe

Das vor der Kulisse des frisch zum neuen Rathaus herausgeputzten alten Zunfthauses inszenierte mundartliche Historienstück "Die Lambrechter Zunft und ihr Platz an der Sonne" stammt wie im vergangenen Jahr schon "Der Klosterwein" und im vorvergangenen "Die Geißbockversteigerung in Lambrecht" wieder von Karl Heinz Himmler.

Es fußt auf dem jetzt 70 Jahre alten Sommertagsspiel von Karl Rauch und ist dennoch ganz anders. Geschildert werden zwar wie damals die Lebensumstände der St. Lambrechter Tuchmacher im Jahr 1755 und ihr Verhältnis zu ihren Nachbarn in Grevenhausen. Doch die Namen der handelnden Personen und der wesentlich gestraffte Handlungsablauf sind den zeitgeschichtlichen Erkenntnissen angepasst und mit "Weibsleutgeschwätz" aufgelockert.

Zu den Quellen, die Rauch damals offensichtlich noch nicht mit herangezogen hatte, zählen vor allem die Dissertation "Die Entwicklung der Tuchindustrie. Lambrechts" von Dr. Friedrich Bühler (1914) sowie die "Geometrische AusMessung und Respective Renovation über den Zur ChurPfältzischen Hochloeblichen Universität deß General Studiums zu Heidelberg gehörenden Flecken Sanct Lamprecht..." von Philipp Bürger aus dem Jahr 1750.

Diese großformatige kartographische Aufnahme von Ort, Flur und Wald und die dazu gehörende 28 Seiten umfassende textliche Beschreibung aus dem Historischen Museum der Pfalz und dem Landesarchiv hat der Förderverein Sauerbrunnen-Denkmalpflege der Stadt anlässlich der Indienststellung des restaurierten Zunfthauses und Umgestaltung zum Rathaus als Raumschmuck zum Geschenk gemacht. Es hängt jetzt an der Nordwand des Ratssaales, in der Nische darunter ist Beschreibung untergebracht.

Dreiviertelstunden Information und Kurzweil

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Die Aufführung des die Zeit der Entstehung dieses Katasterwerks beleuchtenden Historienstücks war in jeder Hinsicht ein voller Erfolg: Das Wetter war in dieser Stunde trocken und heiter, das aufmerksame zahlreiche Publikum war es nicht minder und lachte bei den zahlreichen Gags oft lauthals auf. Die Rollen waren durchweg gut besetzt, die Darsteller mit Lust, Leib und Seele voll bei der Sache. Auf Massenauftritte von Soldaten wurde verzichtet, die Friedenstruppe auf einen Hauptmann (Günther Greb) und seinen Leutnant (Wolfgang Jeschke) reduziert, das zum Geschehen gehörende Militär aus dem Blickfeld verbannt (Hauptmann: "Meine Truppe biwakiert um die Eck; die Pferde saufen am Brunnen."). Durch diesen Kunstgriff hat der Autor im Handumdrehen aus dem einstigen Fünfakter einen dreiviertelstündigen Durchlauf gemacht, der, wie man hört, in einer den Lambrechter Geißbock mit einbeziehenden Variation an Pfingstsonntag auch von der Bühne des Gemeinschaftshauses aus nochmals gespielt werden soll.

Transportiert wird die Handlung vom ranghöchsten der Zunft, dem amtlich bestellten Zunftmeister (Uwe Wilde) als stimmgewaltigem ruhenden Pol. Weil er, ein Schwabe, erst im Jahr zuvor hierher versetzt worden war, wusste er von dem unmittelbar vorausgegangenen "Lambrechter Feldzug" (wir haben jene Ereignisse in unserer Ausgabe vom 16. März 2006 ausführlich geschildert) nichts und ließ sich informieren. Was Rauch damals offensichtlich nicht getan hatte. Nur in der innerfamiliären Hierarchie ist es mit seiner Autorität nicht weit her. (Seine Gemahlin Lisbeth/Elisabeth Himmler: "Mach endlich ach, dass beikummscht. 's Esse iss fertisch unn wärd kalt. Unser Eiquadierung hockt schunn am Ausziehdisch, unn unser Heidemarie machtem Herr Leitnant schäne Aache!")

Pälzisch gebabbelt

Die weitaus meisten Einsätze hat der Schultheiß (Gerald Lehmann). Wie der Zunftmeister war auch er amtlich bestellt und stand damit damals in seinem Rang über dem eines Bürgermeisters. Zudem war speziell dieser Johann Jacob Seib Besitzer dieses Hauses, Zunftschreiber und Wirt des Gasthauses "Zur Alten Farbkipp" gewesen. Lehmann meisterte seine Mammutrolle in geradezu professioneller Manier. Er schlichtete, wo es am Platz war ("Um Gotzwille, Jakob, fiehr kä so lidderliche Reddensaarde unn verbrenn der nit die Gosch!" und führte zum guten Schluss mit weißem Sacktuch am Spazierstock als Parlamentär auch die Einigung mit seinem Grevenhausener Kollegen (Thomas Henz mit leichtem Vorbehalt: "Wann's Wedder halt") herbei. Natürlich hatte auch der Schultheiß ein Eheweib, das er ("Ich mecht jetz kenn Mucks mäh vunn der heere, kenn änziche Mucks!) gelegentlich in die Schranken zu weist. Doch weit kommt damit auch er nicht. Denn seine Gretel (Lilo Schönung) weiß ihn zu nehmen: ("Des hätt er gern!") Sie hat überhaupt allen Grund selbstbewusst zu sein. Schließlich ist es ihr gemeinsamer Sohn Heini (Hans Denig), der durch eine Audienz beim Kurfürsten in Mannheim (Gretel über ihren Sohn: "Där kann sogar Hochdeitsch unn geht em Deiwel vor die Schmitt") die Lösung des Problems um die Trockenwiesen eingefädelt hat.

Es war eine gefährliche Zeit, damals. Denn der Serenissimus brauchte nicht nur Geld, er brauchte auch Soldaten. Der Tuchmacher Botzong (Werner Seinsoth: "Seid nicht so rebellisch, Kollegen. Die haben uns schnell am Schlafittchen, und im Handumdrehen bist du drüben in Amerika. Dort musst du dann den Kopf hinhalten gegen die Indianer und alle möglichen Sorten Leute!"). Da sind aber auch ein paar Renitente dabei. Der schlimmste von ihnen ist der Walkmeister Jakob Strauch (Karl Jacqui: "Ich schteh do unne wie en Ochs vorm Berch, bei meer wärd alles groozich!"), in dessen Betrieb sich wie auch in der Färberei des Jean Stütz (Horst Müller: "Ich mach äfach die Buddick zu!") durch die Sperrung der Woll- und Tuchtrockenplätze die Produktion so staut, dass am Ende alles zum Stocken kommt und das gesamte Dorf vor dem Hungertuch steht. Davon ist dann auch der Händler Hellmann (Dieter Jung: "Die Konkurrenz iss groß, sogar in Saxe!") betroffen.

Wie gut, dass es auch noch die auf Ausgleich bedachten Tuchmacherkollegen Marx (Jochen Hinrichs: "Dann traachen eier Sach halt nunner uff mei Wiss an de Unnermiehl zum Drickele!") und Sauerbrunn (Jakob Lauer: "Ich geb meiner Fraa ach immer Recht.") gibt. Auch aufmützige Lehrlinge scheint es gegeben zu haben. Zum Beispiel den Sepp in der Walkmühle (Thomas Hanke: "...unn ach noch die Kich butze for die Madamm? Wie soll ich'n do was for mein Beruf lerne?") Womit er natürlich keinen Zuspruch beim Establishment findet (Lenchen/Silvya Jacqui: "Iwwerhaupt kenn Rechbekt mäh vorm Alder!"). Keinen Respekt empfindet auch die sonst eher schüchterne Färbersfrau Fränz (Angelika Denig), wenn sie eine Lanze für die pfälzische Mundart bricht: "Ich bin jedenfalls nit uff die Gosch gfalle. Bei deer wäß mer's nit so genau. Lern du doch 's erscht emool Pälzisch...") Womit im Kreis der 18 Sprechrollenträger ganz sicher nicht die Bas Kattel (Käthe Löffler) gemeint war. Denn die beweist schon 55 Jahre auf Lambrechter Bühnen, wie gut sie Pfälzisch kann und wusste auch jetzt wieder stets, was sie will ("Ich will mein Feldwewel vunn vorhin, do beschteh ich druff!"), und hatte - "Jesses nä! Mein Vadder hätt mer's Kreiz neigschlache, die Riwwer-unn-niwwer-Bussiererei..." - von ihrem Fenster aus alles im Griff.

Mit den Füßen stolz vom neuen Rathaus Besitz genommen

Alles in allem ein ergötzliches, mit Alt-Lambrechter Ausdrucksweise gespicktes und bei alledem informatives Stück Zeitgeschichte, dem der Spielkreis des Verkehrsvereins mit frischem Spiel zu neuem Leben verholfen hat. Der Blick in die Vergangenheit war über die reine Unterhaltung hinaus auch eine kleine Geschichtsstunde und überdies auch noch eine Lektion in Orts-typischer Mundartpflege. Auch sie ist, so der Vorsitzende des Denkmalpflegevereins bei seiner der Aufführung vor geladenen Gästen vorausgegangenen Ansprache - Teil der Heimat- und somit der Lambrechter Denkmalpflege. Im Anschluss daran hat die Lambrechter Bevölkerung zu Hunderten mit ihren Füßen vom zweiten Obergeschoss, wo in zwei gegenüber liegenden Zimmern eine Dauerausstellung der ehemaligen "Webschule" mit Handwebstuhl im Erker und zahlreichen weiteren Exponaten eingerichtet ist, bis hinunter zum Untergeschoss stolz von ihrem künftigen Rathauses Besitz genommen. Die unten im Ratssaal meist gestellte Frage lautete: "Warum ist der Gewölbekeller verputzt?" Darauf die Antwort vom Fach: Weil er von vornherein nicht als Sichtmauerwerk, sondern in dieser oder ähnlicher Weise ausgeführt war.

Insgesamt bestätigte sich, was zuvor in den Ansprachen schon zum Ausdruck gekommen war: In diesem Restaurierungswerk hat für die Lambrechter und in gewisser Weise wohl auch für die Nachbargemeinden der viel strapazierte und fehlinterpretierte Begriff Heimat einen Fixpunkt mit hoher Symbolkraft behalten, von dem Impulse nach innen, aber auch nach draußen und nicht zuletzt zu denen ausgehen, die nach draußen verzogen sind. Wozu übrigens auch die Landtagsabgeordnete Hildrun Siegrist gehört, die als Flüchtlingsmädchen aus Anklam einen Teil ihrer Jugend in einem Haus schräg gegenüber verlebt hat und sich gerne daran erinnert.

Zum guten Gelingen des freudigen Tages hat sehr wesentlich auch der vom Nähkreis unter Ute Hinrichs reich gefüllte Kostümfundus des Verkehrsvereins beigetragen. Ebenso auch Peter Dörrzapf, der - auch in Verbindung mit seinen Fernsehaufnahmen für den Offenen Kanal - das weite Außengelände so einwandfrei beschallte, dass keine Nuance des Spiels verloren ging. Die "Mannschaft" des Gemeinschaftshauses, die das Publikum mit Speis' und Trank versorgte. Und natürlich die gastgebende Stadt selbst, die dazu die Konzeption und den Rahmen geschaffen hatte und die gesamten Kosten für die Bewirtung übernahm.

von Karl Heinz Himmler
Fotos Harald König