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Warum passiert es immer wieder – Betrüge an Senioren

Man liest und hört es immer öfter: Alte Menschen übergeben angeblichen Enkeln viel Geld, überweisen hohe Beträge für Gewinnversprechen und werfen sogar Geld aus dem Fenster, wenn sie von angeblichen Polizisten dazu aufgefordert werden. Für Außenstehende eigentlich unglaublich. Wie naiv muss man denn sein?! Warum sind die Betrüger dennoch so erfolgreich? In Neustadt hat sich in der letzten Woche ein ähnlicher Fall ereignet. An diesem soll einmal dargestellt werden, wie ältere Menschen manipuliert werden.

Frau Herta Gießler (Name geändert) ist 77 Jahre alt. Sie lebt alleine, ihr Mann ist vor mehreren Jahren gestorben. Aus dem Haus kommt sie schon länger nicht mehr, sie ist stark gehbehindert und auf Hilfe ihrer Nachbarn und Bekannten angewiesen. Unter ihnen ist auch ein Mitarbeiter ihrer Bank, der ihr, wenn sie ihn darum bittet, Geld von ihrem Konto persönlich vorbeibringt. So sollte es auch am letzten Donnerstag sein. Frau Gießler rief ihren Bekannten in der Bank an und bat ihn darum, 25.000 Euro von ihrem Konto abzuheben und es ihr zu bringen. Bei dem Angestellten klingelten die Alarmglocken. Ein solch hoher Betrag war bei Frau Gießler unüblich. Und außerdem wusste der Angestellte, dass die 77-Jährige im letzten Jahr schon einmal Opfer eines Betrugs geworden war, damals hatte sie 7000EUR verloren. Frau Gießler erklärte ihm, sie müsse das Geld als Kaution zahlen, damit sie einen Lottogewinn erhalten könne. Sie bekäme es ja wieder zurück. Das bestätigte den Bankberater in seiner Befürchtung, er rief bei der Polizei in Neustadt an. Dort ist die Masche sehr bekannt. Oft geben sich die Anrufer als Polizeibeamte, Mitarbeiter von Gerichten und Staatsanwaltschaften oder anderen vertrauenswürdigen Berufen aus. Oder als angebliche Enkel oder Nichten. Die Geschichten sind unterschiedlich, aber frei erfunden. Allen gemein ist aber die Absicht, ältere Menschen um ihr oft mühsam zusammen gespartes Geld zu betrügen. Ausgewählt werden die Opfer oft über Eintragungen in Telefonbüchern, wo gezielt nach alten Vornamen gesucht wird oder nach Telefonnummern, die vermeintlich schon länger bestehen. Aus regelrechten Call-Centern im Ausland werden die Menschen angerufen. Viele bemerken den Betrugsversuch und beenden das Gespräch. Aber wenn es nur bei einem von Hundert angerufenen klappt rentiert sich das betrügerische Geschäft, denn die Gewinne sind oft hoch – und für die alten Menschen ruinös. So auch im Fall von Frau Gießler. Nach dem Anruf des aufmerksamen Bankmitarbeiters fuhr ein echter Polizeibeamter, ein Angehöriger der Neustadter Kripo, zu Frau Gießler. Schon beim Empfang bemerkte er, wie wenig misstrauisch Frau Gießler war. Er zeigte seinen Dienstausweis vor, Frau Gießler beachtete ihn aber kaum. So hätte sie auch jeden anderen angeblichen Polizisten in die Wohnung gelassen. Im Gespräch ergab sich dann folgendes: Schon 5x an diesem Tag hatte eine Frau angerufen. Sie habe sehr höflich gewirkt. In akzentfreiem Deutsch habe sie Frau Gießler mitgeteilt, sie habe in der Lotterie gewonnen. Eine sehr schöne Nachricht für Frau Gießler, nach alle den Jahren Lotto spielen hatte sie auch einmal Glück. Sie müsse aber, damit der Lottogewinn ausgeben werden könne, zunächst 24.999EUR als Kaution zahlen. Am Anfang kam das Frau Gießler auch komisch vor. Aber die Frau am Telefon wirkte nett, sie schien sich wirklich darum kümmern zu wollen, dass sie ihren Gewinn erhalte und käme extra aus München hierher, um die Kaution abzuholen. Außerdem habe sie ja gesagt, dass sie Staatsanwältin sei. Letztlich willigte Frau Gießler ein, sich das Geld zu besorgen – und dann ihren Vertrauten bei der Bank angerufen. Der Kriminalbeamte hatte Mühe, Frau Gießler davon zu überzeugen, dass es sich um einen Betrug handele und es nur darum ginge, 25.000EUR von ihr zu erbeuten. So richtig glauben wollte es Frau Gießler nicht. Kann es sein, dass es solch gemeine Menschen gibt? Sie hatte zwar schon etwas von Enkeltrick gehört, aber dass sie jetzt selbst betroffen war? Vielleicht auch deswegen, weil der Gedanke an das Lottoglück einfach zu schön war. In Anwesenheit des Polizeibeamten gingen dann weitere Anrufe ein. Ob das Geld denn jetzt da sei? Man käme dann vorbei und wolle es abholen. Frau Gießler erzählte dem Polizeibeamten danach von den Gesprächen. Es wirkte so echt. Auch das ist für die Polizei nicht ungewöhnlich. Im Falle von angeblichen Polizeibeamten werden z.B. auch Funksprüche oder andere Geräusche wie Martinshorn in das Telefonat eingespielt, um es möglich authentisch wirken zu lassen. Die am heimischen Telefon angezeigte Rufnummer des Anrufers ist übrigens künstlich hergestellt. Technisch heißt dieser Vorgang „Call-ID-Spoofing“, es kann jede beliebige Nummer generiert werden, die dann im Display des Angerufenen erscheint. Ein Rückruf ist deswegen auch sinnlos. In Fällen falscher Polizeibeamter wurde häufig die 06321-110 angezeigt. Unter dieser Notrufnummer kann aber niemand angerufen haben, auch die echte Polizei nicht. In letzter Zeit waren es dann die Nummern der örtlichen Polizei oder der Staatsanwaltschaften, denen man angeblich angehörte. Der Kriminalbeamte beriet sich mit Frau Gießler. Eine Möglichkeit wäre gewesen, dass der Polizeibeamte beim nächsten Telefonat selbst ans Telefon geht – und den Betrugsversuch beendet. Die andere: Der Versuch, den Geldabholer festzunehmen. Dazu musste Frau Gießler die Telefonate weiterhin annehmen und „mitspielen“. Das wollte die alte Dame dann versuchen. Die Polizei bereitete ihren Einsatz vor. Zwei speziell geschulte Beamte übernahmen die Betreuung von Frau Gießler und gaben ihr Hinweise, wie sie am Telefon reagieren solle. In der Zwischenzeit postierte sich zivil gekleidete Polizei in der Wohnumgebung. Die nächsten Telefonate folgten. Frau Gießler meinte, sie habe das Geld jetzt hier, es könne abgeholt werden. Aber die Anrufer sind sehr gut geschult, sie bemerken jede Veränderung. Im nächsten Anruf war ein Mann am Telefon, ebenfalls deutschsprachig. Er forderte Frau Gießler auf, die Stückelung des Geldes durchzugeben. Im nächsten Anruf wollte er die Seriennummern der Geldscheine wissen, Frau Gießler legte entnervt auf. Im folgenden Anruf war wieder der Frau dran, sie entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten. Und so ging es weiter, im Minutentakt. Frau Gießler wurde immer nervöser, wusste irgendwann garnicht mehr, wem sie jetzt eigentlich vertrauen könne. Sie war mit den Nerven am Ende. Deswegen entschloss sich die Polizei, die Aktion abzubrechen. Zwar ohne Festnahme, aber die Gesundheit von Frau Gießler war wichtiger. Die Polizei hat den Kontakt zu Frau Gießler aber gehalten. Sie erzählte, dass es noch viele Anrufe gegeben habe. Unter anderem einen der angeblichen Vorgesetzten der betreuenden Polizeibeamten. Es wurden ihr sogar deren Namen genannt, obwohl Frau Gießler meinte, diese nie erwähnt zu haben. Hatte sie wohl aber. Typisches Vorgehen der Täter: Sie versuchen meist erfolgreich ihre Opfer durch die Vielzahl der Telefonate sogar in der Nacht, unterschiedliche Anrufer, immer wieder verändernde Informationen so zu verwirren, dass sie nicht mehr zwischen wahr und falsch, zwischen Gut und Böse unterscheiden können. Dieses Mal ging es gut, dank des aufmerksamen Bankmitarbeiters. Das Geld hatte Frau Gießler natürlich nicht erhalten, es bestand deswegen keine Gefahr, dass es zu einer Übergabe hätte kommen können. Inzwischen hat sie auf Anraten der Polizei eine neue Telefonnummer erhalten. In vielen anderen Fällen aber wurden weder die Polizei noch Verwandte eingeschaltet. Zuerst, weil es vielen Opfern wie Frau Gießler geht, sie aber nicht das Glück eines aufmerksamen Bankmitarbeiters hatten. Manchmal werden sie nicht einmal dann misstrauisch, wenn es zur Geldübergabe gekommen ist. Das ist für die Täter Anlass, es erneut zu versuchen.

Wie können Sie sich schützen?

– Werden Sie misstrauisch, wenn jemand am Telefon oder an der Haustür Geld von Ihnen möchte.

– Übergeben Sie niemals Geld an unbekannte Personen.

– Fordern Sie von angeblichen Amtspersonen den Dienstausweis und kontrollieren ihn genau.

– Lassen Sie sich am Telefon nicht unter Druck setzen. Legen Sie einfach auf.

– Rufen Sie beim geringsten Zweifel bei der Behörde an, von der die angebliche Amtsperson kommt. Wichtig: Suchen Sie sich selbst die Telefonnummer aus dem Telefonbuch.

– Überlegen Sie, ob Ihr Eintrag im Telefonbuch wirklich notwendig ist. Verwandten und Bekannten könnten Sie die Nummer auch persönlich mitteilen.

– Verständigen Sie im Zweifel immer die Polizei (Notruf 110 oder 06321/8540).

– Lassen Sie sich gerne auch persönlich von ihrem Bezirksbeamten oder der Kriminalpolizei beraten. Hier erhalten Sie auch Broschüren mit Verhaltenstipps.

Für Sie als Kinder oder Enkel:

– Reden Sie mit Ihren Eltern oder Großeltern über die Gefahren.

– Vereinbaren Sie Verhaltensregeln wie z.B. Information vor größeren Geldtransfers.

– Auf den Internetseiten der Beratungsstelle der Polizei finden Sie vielfältige Tipps zu den Betrugsphänomen: www.polizei-beratung.de

 

Hierbei handelt es sich um die reduzierte AMP-Version des Artikels. Die vollständige Version finden Sie hier.

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