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Volkstrauertag in Esthal: Gedenken an die Bombenopfer vom 19. Dezember 1944

In Esthal fand die Feierstunde mit Kranzniederlegung auf dem Friedhof, beim Ehrenmal statt. Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkfeier vom Kirchenchor St. Konrad, unter der Leitung von Gudrun Jerges, dem Männergesangverein, unter der Leitung von Dorina Schmidt und vom Musikverein Esthal, unter der Leitung von Andreas Knoll.

Die Erinnerung an die Esthaler Bürger, die als Soldaten gefallen sind oder in der Heimat durch die Kriegshandlungen ums Leben kamen, nimmt stetig ab. Kaum jemand findet noch den Weg zum Friedhof an diesem Gedenktag. Viele ältere Menschen, die die Zeit miterlebt haben, können gesundheitlich nicht mehr teilnehmen, den Jüngeren fehlt scheinbar das Interesse daran.

Aber gerade das Desinteresse und das Vergessen an jene schrecklichen Zeiten, sind die Wegbereiter zu rechtsextremistischen Ideologien.

Besonders heute, wo rechte Kräfte wie die AfD die dunklen Seiten der Deutschen Geschichte nur all zu gerne relativieren wollen, ist es wichtig, sich zu erinnern!

Nur wer sich erinnert, kann aus der Vergangenheit lernen, um eine bessere Zukunft zu gestalten. Deshalb verdient es jede Geschichte, erzählt zu werden, und jedes Opfer verdient es, dass man sich seiner erinnert.

Ortsbürgermeister Gernot Kuhn richtete in seiner Ansprache den Blick nach Polen. Vielen Deutschen sei nicht bewusst, was nach dem Kriegsausbruch und in den folgenden Jahren durch die deutsche Besatzung geschehen ist. „Das menschenverachtende Agieren ist eine Folge der Nazi-Rassenideologie“, sagte der Bürgermeister. Damals seien die Polen als Sklavenvolk gehalten worden. Die Schreckensherrschaft sei durch Willkür, Terror, Gewalt, Massaker und der Verschleppung von Zwangsarbeitern sichtbar geworden. Er erinnerte auch an die Vernichtungslager wie Auschwitz, Majdanek, und Treblinka.

Dass der Schmerz über die Kriegsgräuel in Polen bis heute immer wieder mitschwingt, überrascht nicht. Und dass es auf polnischer Seite auch Unmut über deutsche Unkenntnis oder fehlende Präzision in der  Geschichtsdarstellung gibt, kann man zu einem guten Teil nachvollziehen.
„Deshalb müssen wir uns der Frage nach angemessenen Formen des Erinnerns und Gedenkens immer wieder neu stellen. Nur indem wir uns auch den Erinnerungen unserer Nachbarn öffnen, wirklich zuhören und zum Lernen bereit sind, kann unser eigenes Geschichtsbild angemessener werden“, so Gernot Kuhn in seiner Rede..

Der Volkstrauertag hat weiterhin seine uneingeschränkte Berechtigung, denn er mahnt die heutige Generation zum Frieden. Ein Frieden, der seinen Grundstock im Wohlbefinden einer intakten Gemeinschaft gründet. Ein Frieden, der im europäischen Raum bereits seit über sieben Jahrzehnte anhält. Um diesen Frieden muss man sich weiterhin bemühen und ihn stetig erneuern.

Bürgermeister Kuhn erinnerte auch an den schrecklichen Bombenangriff am 19. Dezember 1944, der sich in diesem Jahr zum 75. Male jährt.

Das Totengedenken an die Bombenopfer sprach Tanja König:

„In diesem Jahr jährt sich der Bombenangriff der unser Heimatdorf am 19. Dezember 1944  heimgesucht hat zum 75. Male.  Bei diesem Fliegerangriff  kamen 23 Menschen ums Leben. Was damals im Walddorf geschah, wird im nachfolgenden Bericht, der überwiegend aus ortsgeschichtlichen Unterlagen verfasst wurde, geschildert.

Es war kurz vor Weihnachten, Dienstag, der  19. Dezember 1944. Die Sonne schien über das so friedlich gelegene Walddorf.

Am frühen Nachmittag gegen 14 Uhr 15 wurde das Dorf aus südlicher Richtung über den „Metzelrain“ von starken Bombenverbänden angeflogen.

Es wurden 20 bis 30 Flugzeuge gezählt und beobachtet wie sie Bomben ausklinkten.

Plötzlich war ein Rauschen und zischen in der Luft zu hören.

Die Leute stürzten in die Bunker, Keller und Schutzräume. Und schon krachte es fürchterlich, die Erde bebte. Es flogen Splitter, $cherben und Steine.

Alles wurde schwarz und dunkel. Ein stinkender atemberaubender Pulvergeruch erfüllte die Luft. Nach kurzer Zeit war etwas Ruhe eingekehrt und die Staubwolke lichteten sich.

Die noch lebenden kamen aus ihren Verstecken und Schutzräumen hervor und sahen das etwas furchtbares geschehen war.

Ein Bombenteppich von ca. 52 Bomben, war quer über das Dorf vom Gässel (heute Brunnenstr.) bis hin zum Friedhof niedergegangen und hat in dem so friedlichen Ort große Verwüstung und großes Elend angerichtet.

Mehrere Häuser waren total vom Erdboden weggerissen. Viele andere schwer beschädigt. Tote lagen umher. Aus den Trümmern schrien Verletzte um Hilfe.

Es war wie ein Wunder, dass ein Kind, welches in einem Bettchen schlief, aus einem völlig zerstörtem House noch unversehrt geborgen werden konnte. Seine beiden Geschwister und Großeltern wurden getötet.

An anderer Stelle hing ein Junge noch lebend mit abgerissenen Beinen die gerade noch durch Gummibänder festgehalten wurden, in den zusammengerutschten Sparren seines Elternhauses und rief : „Macht mich doch ab“. Er wurde ins Schwesternhaus gebracht und starb kurz danach.

Mehrere Tote waren total verstümmelt, es waren nur noch Teile ihres Körpers zu finden. Eine ältere Frau wurde bis heute nicht gefunden. Es waren grausame Erlebnisse.

Die Toten brachte man ins Spritzenhaus, die Verletzten in das Schwesternhaus.

Am Nachmittag gegen 16 Uhr, kamen dann die ersten Krankenwagen um die Verletzten

ins Neustadter Krankenhaus zu bringen. Einige Schwerverletzte starben noch auf dem Transport.

Insgesamt mussten 23 Menschen ihr Leben lassen. 17 Gebäude waren total vernichtet, 43 schwer und 37 leicht beschädigt.

Elend und große Not waren über viele Familien hereingebrochen. Eine erschütternde Bilanz. Auch Strom – und Wasserleitungen wurden getroffen, so daß es einige Tag im Ort weder Licht noch Wasser gab. Zwei Tage nach dem Unglück brach eine große Kältewelle herein, es wurde bitter kalt. Die Esthaler gingen in ihrer Not an die Arbeit und räumten Schutt und Trümmer von ihren Häusern weg um noch Tote und Vermisste zu suchen. Indessen wurde auf dem Friedhof ein großes Massengrab errichtet.

Am Samstag den 23. Dezember 1944 morgens um 8 Uhr wurden die Opfer beigesetzt.

Die Toten wurden bereits vorher in schlichten Särgen zum Friedhof gebracht und in das Massengrab gestellt.

Die Beisetzungsfeierlichkeiten begannen in der Kirche, dort sang der Kirchenchor das “ de profundis“ . Danach ging es in Prozession zum Friedhof.

Der Pfarrer hielt eine Ansprache mit Gebet. Anschließend sang der Chor vierstimmig “ Herr gib ihnen die ewige Ruhe“.

Es wurden auch verschiedene Kränze niedergelegt. Danach folgte in der Kirche ein Requiem.

Das Weihnachtsfest 1944 wurde nach diesem schweren Schicksalsschlag ganz schlicht und einfach begangen.

Uns bleibt die Hoffnung, dass sich eine solch schreckliche Katastrophe nie wieder ereignen wird.“

 

Wir gedenken der Bombenopfer

Alwin Kaiser
Johann Wolf
Magdalena Wolf, geb. Bauer
Gertrud Anna Bleh
Wolfgang Franz Bleh

Katharina Gerhard, geb. Kaiser
Maria Kaiser
Johann Münch
Hermann Kaiser
Heinz Schubert

Rita Schubert
Susanna Baumann, geb. Julino
Jakob Baumann
Richard Baumann
Mathilde Bleh, geb. Weitzel

Margaretha Bohn, geb. Nikolaus
Alexander Gerhard
Karl Heinz Buschlinger
Toni Werle
Anna Rosa Kaiser

Elisabeth Kohlmann
Peter Ruppert
Katharina Ruppert

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