Bis zum Jahre 2001 war die erste sichere Nachricht über das Dorf Weidenthal in einem Lehensbrief von 1251 festgehalten. Somit feierte man vor 11 Jahren das 750- jährige Jubiläum mit vielen Veranstaltungen über das Jahr verteilt. Höhepunkt war der große historische Umzug am Kerwesonntag.
Während der damaligen Vorbereitungen wurde überraschend bekannt, dass bei Nachforschungen des Landesarchivs in Speyer, im Bestand F4-Frankenstein eine deutschsprachige Abschrift aus dem 18. Jahrhundert von einer Urkunde aus dem Jahre 1247 entdeckt wurde. Eine Sensation, die aber auf die geplanten Feierlichkeiten keinen Einfluss nahm. Die betreffende Abschrift wurde damals in der großen historischen Fotoausstellung vorgestellt und einem großen Publikum gezeigt.
Nach den neuen Erkenntnissen mussten die zukünftigen Jubiläen anders berechnet werden, vier Jahre früher. 2022 war somit das 775-jährige Jubiläum angesagt.
Die Gemeinde hat für das 775. Jubiläum zu einer Feierstunde in die protestantische Christuskirche eingeladen. Ortsbürgermeister Ralf Kretner konnte neben zahlreichen Besuchern auch geladene Ehrengäste begrüßen. Grußworte übermittelten Timo Jordan, 1. Beigeordneter des Landkreises, Verbandsbürgermeister Gernot Kuhn sowie Pfarrer Frank Wiehler.
Festredner war der promovierte Archäologe Thomas Kreckel aus Weidenthal.
„1247- aber welche Information hält diese Jahreszahl für die Gemeinde wirklich bereit?“ Sie gibt, laut Dr. Kreckel, ausschließlich Auskunft über die bisher früheste schriftliche Erwähnung von Weidenthal, aber sie sagt nichts darüber aus, wie alt diese Ortschaft wirklich ist.
Dr. Thomas Kreckel legte in seiner Festrede den Schwerpunkt auf die möglichen Anfänge der Besiedlung und ergänzte mit Schlaglichter der Weidenthaler Geschichte.
Festrede
„Wenn wir einen Blick auf die Entwicklungsgeschichte unserer Gemarkung werfen, die sich u.a. durch vereinzelte archäologische Relikte belegen lässt, können wir feststellen, dass hier schon seit mehreren tausend Jahren Menschen ihre Spuren hinterlassen haben. So zeigen die Funde von Feuersteinobjekten und von mehreren Steinbeilen, dass die Umgebung schon in der Jungsteinzeit zumindest „durchstreift“ worden ist. Ob die ehemaligen Besitzer dieser Gegenstände nur auf der „Pirsch“ waren oder ob sie sich auch in der Nähe niedergelassen haben, kann heute nicht mit Sicherheit entschieden werden, dafür ist die Fundlage zu dünn!
Die Entdeckung eines Getreidemahlsteins, eines sogenannten „Napoleonshutes“ im 19 Jh., der zusammen mit einigen Tonscherben bei der Wettermannshütte in der Eisenkehl geborgen werden konnte, zeigt die Anwesenheit von Menschen in der frühen Eisenzeit (ca. 800-450 v. Chr.) Allerdings ist die Menge des Materials zu gering, um daraus eine frühkeltische Ansiedlung zu konstruieren.
Dagegen lassen mehrere Hügelgräber im Bereich des Mollen- und Heidenkopfes, sowie zwischen der Eselssohl und der „Hohen Loog“, die mit hoher Wahrscheinlichkeit gleichfalls aus der frühen Eisenzeit stammen, auf entsprechende dazugehörige Siedlungsstellen schließen, die sich nicht allzu weit davon befunden haben müssen. Aufgrund der durch den Bach bedingten „Sumpflandschaft“ werden sich diese aber kaum im Tal befunden haben, sondern auf den Anhöhen ringsum. Außerdem weisen diese Befunde auf frühe Verkehrswege hin. Solche Grabstätten waren repräsentativ und sollten gesehen werden und lagen daher nicht, wie es uns heute erscheinen mag, irgendwo versteckt im Wald, sondern befanden sich an zu dieser Zeit häufig frequentierten Wegen.
In der Römerzeit erhält unsere Gemarkung Anschluss an das römische Verkehrssystem. So führte eine Römerstraße von Bad Dürkheim in Richtung Westen, an der spätantiken Höhensiedlung auf dem „Drachenfels“ vorbei, verlief über die Gewanne „Schafunter“ und erreichte entweder über die „Weidenthaler Hohl“ oder über das „Klingental“ das Neustadter Tal. Im Bereich der heutigen „Hindenburgstraße“ konnte diese Altstraße in Form von wenigen Überresten eines hölzernen Knüppeldamms aus den 80er Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. nachgewiesen werden. Die Hölzer kamen 1980 bei einer Kanalgrabung zutage und es ist dem ehrenwerten Karl-Heinz Burckhardt zu verdanken, dass diese wissenschaftlich untersucht werden konnten. An dieser Stelle überquerte die Römerstraße den Hochspeyerbach, der hier über eine breitere Furt passierbar war. Sie zog dann über das „Langental“ nach „Schwarzsohl“ und führte im weiteren Verlauf bis Waldfischbach-Burgalben bzw. bis ins Bliestal im heutigen Saarland.
Der Bau dieser Römerstraße fällt in den Zeitraum der Gründung der Provinz „Germania Superior“, zu der auch unsere Region gehörte. Vorher stand das Gebiet unter reiner Militärverwaltung mit dem Legionslegaten in Moguntiacum/Mainz an der Spitze. Die Straßenverbindung diente auch zur Erschließung dieses Teils des „Silva Vosagus“, einem damals schier undurchdringlichen Urwald, zu dem auch das Areal des heutigen Pfälzerwaldes gehörte. Ob sie in unserer Gemarkung bereits zu einer Art Ansiedlung geführt haben könnte, darüber lässt sich nur spekulieren. Aber allein schon die Weite des Tales im Bereich des Fundortes und die Tatsache, dass er etwa eine Tagesetappe vom Rhein entfernt liegt, könnte meines Erachtens zumindest an eine Rast- und Pferdewechselstation denken lassen, aber leider gibt es bisher keinen einzigen archäologischen Beleg für diese Vermutung!
Diese Straßenverbindung spielte im Übrigen noch lange Zeit eine wichtige Rolle, da das Neustadter Tal durch den Bach und das sumpfige Ufergelände lange unpassierbar war. Erst um 1400 entstand die Straßentrasse, auf der heute die Bundesstraße in Richtung Neustadt verläuft.
Ob die sogenannte „Winterrune“ am großen Felsen auf die Anwesenheit germanischer Siedler schließen lässt, ist eher zweifelhaft. Es gibt bisher weder schriftliche Hinweise noch deutliche archäologische Belege für „Frequentierung“ unserer Gemarkung in der Völkerwanderungszeit oder im frühen Mittelalter.
Gegen Ende des 10. Jh. erhält der salische Herzog Otto von Worms, der Großvater des ersten Salierkaisers Konrad II., den Königshof Lautern sowie den Wasgauforst, damals ein zu großen Teilen noch unerschlossenes Waldgebiet zwischen der Haardt und Kaiserslautern. Zur Kolonisierung dieses Urwaldes gründete er das Kloster St. Lambrecht in der Nähe eines gräflichen Jagdhauses (Gravenhus = Grevenhausen) und legte den Grundstein für das heutige Lambrecht. Unsere Gemarkung lag also mitten in diesem Waldgebiet, dass hier allerdings – wie wir schon gehört haben – bereits durch eine Römerstraße erschlossen war. Was würde also näher liegen, an dieser Stelle eine weitere Siedlung zu gründen? Schließlich handelt es sich bei dem Bereich um die heutige protestantische Kirche, wo die „Altstraße“ unser Territorium kreuzt, um einen der beiden frühesten Siedlungsschwerpunkte unseres Ortes. Der zweite Nucleus unseres Dorfes liegt in dem Areal rund um die katholische Kirche.
Einen Hinweis auf eine mögliche Gründung Weidenthals in der Salierzeit, könnte eventuell das Patronatspaar unserer katholischen Kirche – St. Simon und St. Judas Thaddäus – liefern. Sie waren die Tagesheiligen des Geburtstages (28. Oktober) des Salierkaisers Heinrich III., der beispielsweise in Goslar ein sogenanntes „Pfalzstift“ – eine Ausbildungsstätte für die „Hofkapelle“ – unter dem Patronat dieser beiden Heiligen gründete.
Auch die enge Beziehung unseres Dorfes zum Kloster Limburg bei Bad Dürkheim, das 1025 von Konrad II. gegründet wurde, könnte auf eine Entstehung in der Salierzeit schließen lassen. Die bekannten ältesten Urkunden von 1247 und 1251 stammen zwar erst aus dem Ende der Stauferzeit bzw. kurz danach, belegen aber den Status des Ortes als direkter Besitz des Klosters Limburg und damit die Funktion des Abtes als oberster Lehensherr von Weidenthal. 1279 wird die bis dahin eigenständige Pfarrei dem Kloster „einverleibt“, also direkt unterstellt. Der Krummstab, der heute das Weidenthaler Ortswappen ziert, erinnert an dieses Besitzverhältnis, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erst seit dem 13. Jh. existierte.
Trotz dieser unmittelbaren Zugehörigkeit wurde Weidenthal andauernd als Lehen vergeben. Den „Freien von Frankenstein“, Vasallen der Leininger Grafen im 13. Jh., folgten die Herren von Hirschhorn in verschiedenen Konstellationen usw. usf. Erst mit der Säkularisierung des Klosters gegen Ende des 16. Jh. endete diese wechselvolle Herrschaftsgeschichte und Weidenthal ging in den Besitz der Kurpfalz über.
Im Lauf der Geschichte mussten die Einwohner Weidenthals leider viel zu oft Kriege und die damit einhergehenden Notzeiten erleben. In den Wirren des 17. Jh. – vor allem während des 30jährigen Krieges 1618-1648 – wurde der Ort anscheinend mehrfach zerstört und die Dorfbewohner zu großen Teilen getötet oder vertrieben. So besagt eine Nachricht aus dem Jahre 1654, dass in Weidenthal nur noch ein Wirt gelebt habe, „dann sonst noch niemand da gewohnet“.
Auch der sogenannte „Pfälzische Erbfolgekrieg“, der 1689 die gesamte linksrheinische Pfalz verheerte, wird auch unser Dorf betroffen haben. Die mit Sicherheit damit einhergehende Zerstörung und Entvölkerung des Ortes hätte durchaus zu einer endgültigen Aufgabe Weidenthals führen können!
Allerdings erhielt die stark dezimierte Bevölkerung ab dem Ende des 17. bzw. in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen hohen Zuwachs durch Neusiedler, hauptsächlich aus der Schweiz und aus Tirol.
Das Morgenbuch von 1705, der älteste erhaltene Urkataster von Weidenthal, informiert über eine Vielzahl verlassener Grundstücke und „wüster“ Äcker und Gärten sowie verfallener Häuser etc., was nochmals die Auswirkungen der katastrophalen Zustände des 17. Jahrhunderts auf unser kleines Walddorf deutlich beschreibt. Diese Areale wurden im weiteren Verlauf nach und nach wieder instandgesetzt bzw. erneut urbar gemacht.
Dieser Neubeginn der Besiedlung Weidenthals setzte den Anfangspunkt einer Ortsentwicklung, die bis heute noch andauert, auch wenn sie nie geradlinig verlaufen ist“.
Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde vom Männerchor des Cäcilienvereins unter der Leitung von Lothar Bendel sowie vom Chor CHORlorado des Gesangvereins unter der Leitung von Peter Clemens.
Das Gemeindearchiv zeigte Kopien der historischen Dokumente.
Im Anschluss an die Feierstunde fanden die Gäste im Kirchgarten Gelegenheit zum Plaudern. Der Turnverein bot Getränke und Brötchen an.
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