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Kreisverwaltung DÜW

Desolate Finanzierung der Kommunen – Landrat und Bürgermeister unterzeichnen offenen Brief an Ministerpräsidentin

Landrat Hans-Ulrich Ihlenfeld und alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeister des Landkreises Bad Dürkheim haben einen offenen Brief des Landrats an die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer unterzeichnet.

Der Tenor des Briefs: Es muss etwas passieren, um der „desaströsen finanziellen Situation des Landkreises und eines Großteils seiner Kommunen“ entgegenzuwirken. Diese Situation werde „von rechtlichen Standards, die von Bund und Land gesetzt werden, verursacht“. Kritik üben die Unterzeichner auch an der Missachtung des Konnexitätsprinzips, das „ausgehöhlt, nicht angewandt oder im schlimmsten Fall ignoriert“ werde.

In dem Schreiben wenden sich die Kommunalpolitiker auch gegen die immer wieder angemahnten „größtmöglichen Kraftanstrengungen“ zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte, obwohl der Handlungsspielraum nahezu aller Kommunen bereits stark eingeschränkt ist. Der Haushalt des Landkreises, in dem für das Jahr 2024 ein Defizit von 22 Millionen Euro steht, setzt sich zu 99 Prozent aus Pflichtaufgaben zusammen, bei denen kaum eine Verbesserung der Ausgaben möglich ist. „Ein vernachlässigbarer Anteil von unter einem Prozent an freiwilligen Leistungen erfüllt nicht die Voraussetzungen für den Kreis und seine Kommunen zur verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltung“, heißt es daher in dem Brief. Auch bei den Ortsgemeinden gebe es aufgrund der Umlagebelastung – die Kreisumlage wurde um zwei Prozentpunkte erhöht – keine Spielräume mehr.

Die mangelnde Gegenfinanzierung bei Gesetzesänderungen wie im Wohngeldrecht oder im Kitagesetz sind nur einige Beispiele von vielen, „die sich zu einer nicht mehr darstellbaren Belastung der kommunalen Familie summieren“.

Der Landrat führt aus, mit welchen Erwartungen das Schreiben verknüpft sind: „Der kommunale Finanzausgleich muss schnellstmöglich evaluiert und dann überarbeitet werden. Wir erwarten, dass die Interessen der Kommunen im jetzt aufzustellenden Doppelhaushalt 2025/2026 berücksichtigt werden.“ Es sei „zwingend notwendig“, dass für zusätzliche Aufgaben und weiter gewachsene finanzielle Anforderungen Mittel eingeplant werden. Klar formuliert ist auch der Appell, „gesetzlich geschaffene Standards wieder auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen und in diesem Zusammenhang die Konnexitätsfrage zu klären. Die in der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz verankerte Selbstverwaltungsgarantie unserer Kommunen muss zwingend von der Landesregierung erfüllt werden.“

„Wir haben dieses Schreiben auch deshalb verfasst, weil wir das Gefühl haben, dass die Landesregierung unsere Probleme ignoriert und kleinredet“, erklärt Ihlenfeld. Natürlich habe ein solcher Brief auch eine politische Dimension, allerdings sei gerade deshalb auch so wichtig, dass die kommunale Familie einig hinter dem Brief stehe, wie Ihlenfeld betont. „Es ist bemerkenswert, dass alle Orts-, Verbands- und Stadtbürgermeisterinnen und -bürgermeister über Parteigrenzen hinweg unterzeichnet haben und damit klar signalisieren: So kann es für uns nicht weitergehen“, sagt der Landrat abschließend.

 

 


OFFENER BRIEF

Der Landrat des Landkreises Bad Dürkheim

 

Bad Dürkheim, 19.03.2024

 

Frau
Ministerpräsidentin
Malu Dreyer

Peter-Altmeier-Allee 1
55116 Mainz

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Dreyer,

als Landrat des Landkreises Bad Dürkheim sehe ich mich verpflichtet, mich sowohl für die Belange des Landkreises selbst als auch der kreisangehörigen Kommunen einzusetzen.

lm Auftrag aller politisch Verantwortlichen im Landkreis wende ich mich heute an Sie, um nochmals eindringlich auf die desaströse finanzielle Situation des Landkreises und einem Großteil seiner Kommunen hinzuweisen.

Der regelrechte Absturz unserer Finanzmittel, die uns für die Erledigung unserer Pflichtaufgaben zur Verfügung stehen hat dazu geführt, dass der Kreis mit einem Haushaltsdefizit von über 22 Mio. Euro im Haushaltsjahr 2024 planen muss. Nahezu 99 % unserer Ausgaben sind Pflichtaufgaben und damit kaum steuerbar. Ein vernachlässigbarer Anteil von unter 1 % an freiwilligen Leistungen erfüllt nicht die Voraussetzungen für den Kreis und seine Kommunen zur verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltung. Unsere Kommunen sind abhängig von Steuereinnahmen, die ebenfalls nur bedingt beeinflussbar sind. Die Infrastruktur ist vielerorts marode und sanierungsbedürftig. In Teilen des Landkreises bestehen besondere strukturelle Gegebenheiten, die eine Steigerung der Steuereinnahmen nur sehr eingeschränkt ermöglichen.

Die von den Kommunalaufsichten angemahnte und immer wieder wiederholte „größtmögliche Kraftanstrengung“ erschöpft sich daher zumeist in Kleinbeträgen. Aus Sicht der verantwortlichen vor Ort führt diese Forderung zudem nur zu einer überbordenden Belastung der Bürgerinnen und Bürger. Dies kann nicht das alleinige Mittel des Landes Rheinland-Pfalz sein, uns zu unterstützen.

Kostensteigerungen im Kindertagesstättenbereich, bei der Sozial- und Jugendhilfe, bei der Eingliederungshilfe und den Hilfen zur Erziehung, bei der Schülerbeförderung und im ÖPNV, schließlich Mindereinnahmen aus den geringeren Schlüsselzuweisungen für den Landkreis, all das führt zu einer noch nicht dagewesenen Verschuldung und Finanzschieflage der kommunalen Familie.

Der Landkreis Bad Dürkheim hat im letzten Haushaltsjahr 2023 unter erheblichen Anstrengungen den Haushalt in der Planung ausgleichen können. Wir waren uns aber auch darüber im Klaren, dass die Sparpotentiale klein und die Einnahmeverbesserungen nicht leicht zu erreichen sind. Der Jahresabschluss 2023 wird aufgrund verschiedener Faktoren, die wir nicht oder nur unwesentlich beeinflussen können, zu einem um rund 5 Millionen schlechteren, sprich negativen Haushaltsabschluss führen.

Es kann nicht Sinn der Haushaltsberatungen und Haushaltsbeschlüsse sein, ausschließlich den Haushaltsausgleich für die Aufsichtsbehörde zu verfolgen. Der Haushaltsgrundsatz der Wahrheit und Klarheit darf nicht ad absurdum geführt werden, nur wegen des Dogmas des Haushaltsausgleiches. Das darf und kann nicht das Ziel der Landesregierung sein.

Die ADD Trier als Aufsichtsbehörde hat angeboten, die Kommunen für die Haushaltsplanung zu unterstützen und damit eine Beratung vor Ort explizit verbunden. Wir haben tatsächlich ein Gespräch mit der Kommunalaufsicht geführt, haben aber keine weiteren hilfreichen Erkenntnisse aus diesem Gespräch gewonnen. ln unserem Bestreben, die Landesregierung an unseren Problemen und Gedanken teilhaben zu lassen, haben wir bereits im Dezember an Herrn Staatsminister Michael Ebling ein Schreiben gerichtet und unsere Zahlen, Daten und Fakten mitgeteilt. Leider hat sich auch aus dem Artwortschreiben des Ministeriums des Innern und für Sport kein sachlicher Hinweis ergeben, dass weitergehende Unterstützung erfolgt. Aus dem Antwortbrief wurde lediglich deutlich, dass das Land Sondermittel außerhalb des kommunalen Finanzausgleiches zur Verfügung stellt, um die zusätzlichen- vom Gesetzgeber verursachten- Finanzbedarfe im Bereich Flüchtlinge, Klimaschutz und kommunale Liquiditätsverschuldung etwas zu lindern.

Diese Mittel sind sicherlich gut gemeint, auch hilfreich im Einzelfall, ändern aber nichts an der Tatsache, dass beispielsweise die Einnahmen aus der Kreisumlage 2023 in Höhe 76,2 Mio. ê noch nicht einmal ausreichen um das geplante Defizit im Jugendhilfe- und Sozialhilfebereich (ohne die oben erwähnten zusätzlichen Mittel) mit 90 Mio. Euro auch nur annähernd zu decken. Der Landkreis hat für 2024 die Kreisumlage um 2 % erhöht, verfügt aber leider nicht über große Gewerbebetriebe, die über die Gewerbesteuer in einem besonderen Maße zu unseren Haushaltsmitteln beitragen könnten. Das belastet auch die Kommunen im Landkreis, die ebenfalls nicht über die notwendigen gewerblichen Ressourcen verfügen, um das Steueraufkommen maßgeblich zu verbessern. Unser Landkreis ist geprägt von Landwirtschaft, Weinbau und mittelständischen Unternehmen.

Unsere kommunalen Gremien erwarten von den Verwaltungen und der Politik – hier insbesondere von der Landesregierung – zu Recht Lösungsansätze, da die finanzielle Situation vor Ort immer schwieriger wird. Dies trifft insbesondere unsere Ortsgemeinden, denen aufgrund der Umlagebelastung keine Spielräume verbleiben.

Die rechtlichen Standards, die von Bund und Land gesetzt werden, verursachen eine desaströse finanzielle Situation der Kommunen. Das Konnexitätsprinzip wird entweder ausgehöhlt, nicht angewandt oder im schlimmsten Fall ignoriert. Die Gesetzesfolgenabschätzung in den Gesetzesvorlagen wird offensichtlich nicht sachgerecht durchgeführt. Gerne führen wir als Beispiel die Änderung im Wohngeldrecht (Bundesrecht) an, wonach allein durch diese Rechtsänderungen nur in unserem Landkreis 4,0 VZÄ im Stellenplan des Landkreises dauerhaft vorzuhalten sind, da sich der Zeitaufwand durch die Prüfschemata und die Sachbearbeitung für eine Fallbearbeitung verdoppelt hat.

Weiteres Beispiel ist die Änderung des Kindertagesstättengesetzes (Landesrecht). Sicherlich gut gemeint für die Bürgerinnen und Bürger, aber kaum finanzierbar für die Kommunen und Landkreise, die eine erhebliche Kraftanstrengung aufbringen müssen, um die Kindertagesstätten und das dazugehörige Personal auf den gesetzlichen Standard zu bringen. Hier ist ausdrücklich vor der Beschlussfassung im Landtag sehr eindringlich und sehr nachdrücklich von kommunaler Seite auf die kommenden finanziellen Schwierigkeiten hingewiesen worden. Bei der Gesetzesfolgenabschätzung erfolgte aber keinerlei sachgerechte Abwägung der Konnexität. Die Stellungnahmen unserer Fachkräfte vor

Ort werden ignoriert. Bürokratieabbau ist ein immer gern bemühter Begriff, wird aber durch die überbordende Regelungswut in den Gesetzen ad absurdum geführt.

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,

diese Einzelbeispiele summieren sich zu einer nicht mehr darstellbaren Belastung der kommunalen Familie.

Die Haushaltsplanung des Kreises hat zunächst mit einem Fehlbedarf von 36 Mio. Euro gestartet. Dieses Defizit in uns bisher nicht bekannter Höhe haben wir sehr ernsthaft hinterfragt und Einsparpotentiale ermittelt.

Einnahmeerhöhungen wurden generiert, die Kreisumlage um 2 % erhöht. Aus dieser ersten Zahl haben wir nach vielen Gesprächen, und Veränderungen (auch durch die Ankündigung des Landes zur Zahlung einer Integrationspauschale) eine Reduzierung des Jahresergebnisses erreichen können und liegen nun – trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten- bei einem Defizit von 22,4 Mio. Euro für das Jahr 2024.

Sicherlich können Sie nachvollziehen, wie die Kreistagsmitglieder und ich in meiner Verantwortung als Landrat ob solcher Dimensionen nahezu machtlos nach Lösungen gerungen haben. Auch die Verantwortlichen in den Ortsgemeinden sind am Ende mit ihren Überlegungen und Ideen, wie wir uns alle selbst wieder aus der prekären Lage befreien können.

Die größten Defizitverursacher habe ich bereits genannt. Der Effekt durch das -leider viel zu spät aufgelegte Entschuldungspaket des Landes- wird in spätestens 2 Jahren verpuffen, sowohl in unseren Kommunen als auch im Landkreis.

Unser gemeinsamer Appell an Sie und die Landesregierung geht dahin, die gesetzlich geschaffenen Standards wieder auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen und in diesem Zusammenhang die Konnexitätsfrage zu klären. Die in der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz verankerte Selbstverwaltungsgarantie unserer Kommunen muss zwingend von der Landesregierung erfüllt werden.

Es kann nicht angehen, dass die Kreise die finanziellen Lasten der größten Defizitverursacher tragen müssen, die auf politischen Erwägungen und vermeintlich familienfreundlichen Beschlüssen und Sozialgesetzen beruhen, die dann die Bürgerinnen und Bürger auf anderen Wegen (Erhöhung der Realsteuern, schlechte Infrastruktur, höhere Umlagen etc.) wieder aufbringen müssen.

Ich appelliere abschließend an Sie, die Zuweisungen des kommunalen Finanzausgleichs umgehend dauerhaft aufzustocken und ihre Standards zu hinterfragen. Insoweit unterstützen wir die Forderung nach vorzeitiger Evaluierung des Kommunalen Finanzausgleichs. Neue Aufgaben sind zwingend nur noch unter strikter Beachtung des Konnexitätsprinzip zu übertragen.

Hochachtungsvoll
Hans-Ulrich Ihlenfeld
Landrat

 

Anlage:
Unterschriften aller Verbandsbürgermeister, Bürgermeister und Ortsbürgermeister des Landkreises Bad Dürkheim

von

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